Zugänge und Teilhabe ermöglichen

Als Sprecherin der freien Träger in Hessen im Landeskuratorium begrüße ich es sehr, dass mit dem vorliegenden Weiterbildungsbericht die Wichtigkeit der öffentlichen Weiterbildungsfinanzierung deutlich gemacht wird. Der im Weiterbildungsbericht evaluierte Weiterbildungspakt ist als positives Signal des Hessischen Kultusministeriums zu sehen, die Weiterbildung zu stärken, auch wenn die in der Vergangenheit vorgenommenen Kürzungen noch nicht wieder kompensiert sind. Es bedarf jedoch weiterer Anstrengungen, die vorhandenen guten und bewährten Trägerstrukturen der öffentlich geförderten Weiterbildung mit ihrer Angebotsvielfalt dauerhaft sicherzustellen und auszubauen.

Unter Berücksichtigung des demografischen und gesellschaftlichen Wandels ist es zudem eine große bildungspolitische Herausforderung, auch zukünftig für alle Bevölkerungsgruppen eine Teilhabe am lebensbegleitenden Lernen und somit am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Ohne niedrigschwellige und bezahlbare Angebote können die Herausforderungen der sich stetig ändernden Lebens- und Arbeitswelt nicht bewältigt werden. Um die Zukunftsfähigkeit einer demokratischen Gesellschaft sicherstellen zu können, müssen Bildungsangebote für alle Menschen zugänglich sein, damit diese die für den Transformationsprozess notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben können. Deshalb muss es im öffentlichen Interesse sein, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Weiterbildung unabhängig von Bildungsgrad oder Haushaltseinkommen gewährleistet ist. Aus diesem Grunde ist die öffentlich geförderte Weiterbildung von zentraler Bedeutung.

Insbesondere die freien Träger1 in ihren neun selbstständigen Bildungswerken und Bildungsakademien leisten hier einen großen gesellschaftlichen Beitrag. Als gemeinwohlorientierte Weiterbildungseinrichtungen arbeiten sie auf der Grundlage des Hessischen Weiterbildungsgesetzes zusammen und sehen sich in einer gemeinsamen Verantwortung gegenüber den Menschen, die in Hessen leben, arbeiten und sich für die Menschen in Hessen engagieren. Als stimmberechtigte Mitglieder des Landeskuratoriums für Weiterbildung und lebensbegleitendes Lernen beraten sie nicht nur die Landesregierung in Fragen der Weiterbildung, sondern gestalten auch partnerschaftlich aktiv die Weiterbildung in Hessen. Aufgrund ihrer Organisationsstrukturen können sie flexibel auf Bedarfe reagieren und erreichen Menschen aus allen gesellschaftlich relevanten Großgruppen (Sport, Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaft, Arbeiterwohlfahrt, paritätische Einrichtungen und hessisches Landvolk). Inhaltlich breit aufgestellt unterbreiten sie vielfältige Bildungsangebote für alle Altersgruppen, von jungen Erwachsenen bis zu Seniorinnen und Senioren, entlang deren Lebens- und Lernbiografien. Die freien Träger stellen somit neben den öffentlichen Trägern die flächendeckende Grundversorgung an Weiterbildung in Hessen sicher. Sie sind aber zwingend auf die Landesmittel angewiesen, da sie im Gegensatz zu den Volkshochschulen nicht durch die Kommunen gefördert werden.

Auch wenn die Auswirkungen der Coronapandemie nicht Gegenstand des Weiterbildungsberichtes waren, wurden die damit einhergehenden Herausforderungen für die Weiterbildung dort immer wieder thematisiert. Mittlerweile haben uns weitere Krisen ereilt, sodass die Sorgen der Weiterbildungseinrichtungen um ein Vielfaches gestiegen sind. Die aktuellen multiplen Krisen (Coronapandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Klimawandel, Fachkräftemangel, hohe Inflation und drohende Rezession) werden enorme Auswirkungen auf die gesamte Weiterbildungslandschaft haben. Es ist zu befürchten, dass die Teilnehmendenzahlen, die das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder erreicht haben, abermals sinken werden, da die aktuellen Preissteigerungen für die Lebenshaltung den Spielraum für eine Teilnahme an Weiterbildungsangeboten verringern. Dies wiederum belastet die Weiterbildungseinrichtungen zusätzlich, geraten sie doch aufgrund der Preissteigerungen selbst bereits jetzt an ihre finanziellen Grenzen. Eine Erhöhung der Teilnehmendenbeiträge zur Kompensation der stetig steigenden Ausgaben führt dazu, dass sich in der Folge immer weniger Menschen Weiterbildung leisten können. Letztendlich besteht die Gefahr, dass das derzeitige flächendeckende Bildungsangebot auf Dauer nicht aufrechterhalten werden kann, wenn die vorhandenen Trägerstrukturen der öffentlichen Weiterbildung nicht deutlich stärker unterstützt werden.

Der zweite Weiterbildungspakt startete 2021 und endet am 31. Dezember 2025. Da somit auch die Novellierung des Hessischen Weiterbildungsgesetzes ansteht, sollte der Novellierungsprozess genutzt werden, die Weiterbildung in Hessen zukunftsfähig zu machen. Im Weiterbildungsbericht wird hierzu neben dem weiteren Ausbau der Weiterbildungsfinanzierung auch eine Anpassung der Fördersystematik empfohlen. Die aktuelle Förderung nach Unterrichtseinheiten als alleiniger Größe zur Berechnung der Förderung bildet nicht mehr die Realität ab, weil sie die Unterschiedlichkeiten in der Finanzierung der Weiterbildungseinrichtungen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus sollte eine Dynamisierung der Finanzierung geprüft werden.

Bei der Evaluierung des Weiterbildungspaktes hat sich außerdem herauskristallisiert, dass es einige Handlungsfelder gibt, die für die notwendige gesellschaftliche Transformation essenziell sind und zur Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen: Grundbildung, Inklusion, Digitalisierung, politische Bildung und Nachhaltigkeit. Da diese gesellschaftlich relevanten Themen im öffentlichen Interesse sind, bedürfen sie einer dauerhaft abgesicherten Förderung (Grundförderung) und sollten nicht über Projektmittel abgedeckt werden.

Im Zuge der Novellierung wird es eine große Herausforderung sein, einen gemeinsamen Nenner bei der Anpassung des Fördersystems zu finden. Aus meiner Sicht bietet der Weiterbildungsbericht 2021 eine gute Grundlage für eine zukunftsgerichtete Neuausrichtung der Weiterbildungsfinanzierung in Hessen.

Autorin

Silke Töpfer, Geschäftsführerin Paritätisches Bildungswerk Hessen e. V., Sprecherin der freien Träger und Mitglied im Vorstand des Landeskuratoriums für Weiterbildung und lebensbegleitendendes Lernen.

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch die Redaktionskonferenz am 10.11.2022 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication following the editorial meeting on the 10th of November 2022.

Die nach dem Hessischen Weiterbildungsgesetz anerkannten landesweiten Organisationen von Einrichtungen der Weiterbildung in freier Trägerschaft in Hessen sind: Bildungsakademie des Landessportbundes e. V., Bildungswerk der Arbeiterwohlfahrt Hessen e. V., Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V., DGB Bildungswerk Hessen e. V., Evangelische Erwachsenenbildung Hessen, Verein für Landvolkbildung e. V., Katholische Erwachsenenbildung Hessen – Landesarbeitsgemeinschaft e. V., Paritätisches Bildungswerk Hessen e. V., ver.di Bildungswerk Hessen e. V.