„Übergänge“ als Gestaltungs- und Bearbeitungsaufgabe für das organisationale Bildungsmanagement

Herr Meisel, wir möchten mit Ihnen ein Gespräch führen über den organisationalen Wandel, Übergänge sowie über die Möglichkeiten und Grenzen der bewussten Gestaltung von Wandel- und Übergangsprozessen. Bevor wir allerdings die organisationale Perspektive aufgreifen, eine persönliche Frage. Sie haben ja lange am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung gearbeitet, waren zudem Honorarprofessor an der Philipps-Universität Marburg und dann ca. 15 Jahre Managementdirektor an der Münchner Volkshochschule. Seit Ende 2020 sind Sie im Ruhestand. Wie haben Sie diesen Übergang für sich selbst erlebt und gestaltet?

Klaus Meisel: Rückblickend kann ich mir selbst sagen: Gut gemacht. Ich habe die verschiedenen Tätigkeiten langsam ausschleichen lassen – wohlgemerkt nicht meine Aufgaben als Managementdirektor an der Münchner Volkshochschule. Meine universitären und wissenschaftlichen Aktivitäten habe ich in den letzten Jahren bereits schrittweise reduziert. Andere Funktionen und Ehrenämter habe ich nach und nach in neue gute Hände übergeben. Nur die Arbeit als Managementdirektor, gerade auch während der Pandemie, die konnte und wollte ich nicht ausschleichen lassen. Aber auch hier hat eine Übergabe an meinen Nachfolger trotz der widrigen Umstände geklappt. Insofern ist alles gut. Mir fehlen allerdings bestimmte Arbeitszusammenhänge. Als ich vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung weggegangen bin, hat mir die Bibliothek gefehlt. Jetzt nach meinem Ausscheiden aus der Münchner Volkshochschule fehlen mir bestimmte kommunikative und kooperative Zusammenhänge. Dieses „Im-Team-Wirken“ und sehen, wie sich Dinge entwickeln, und die Erfolge auch gemeinsam feiern zu können, das fehlt mir schon etwas. Was mir aber nicht fehlt, ist die Verantwortung. Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume sind an Verantwortung gebunden. Erst im Nachhinein habe ich gemerkt, wie sehr die Verantwortung für Finanzen, für Organisation, für das Personal, für den Erfolg der Einrichtung doch auch auf mir gelastet hat. Das vermisse ich nicht. Der Übergang führte zudem zu neuen Erfahrungen, viel mehr Zeit für die Familie und die Natur sowie ganz neuen Tätigkeiten – auf alle Fälle zu einem anderen, bewussteren Umgang mit Zeit. Also zusammengefasst: Alles ist gut.

Lassen Sie uns den Blick jetzt auf die organisationale Ebene lenken, also auf die Einrichtungen der Weiterbildung. Die Corona-Pandemie haben Sie bereits kurz angesprochen. Sie haben selbst noch in einer Verantwortungsposition miterlebt, wie Einrichtungen ihr Programmangebot stark reduzieren oder gar ganz schließen mussten, und wir sehen heute, zwei Jahre danach, dass die Corona-Pandemie immer noch nicht ausgestanden ist. Wie schätzen Sie die Lage der Einrichtungen der Weiterbildung ein, unter der Perspektive von jahrelangem Krisenmodus?

Da muss man schon unterscheiden, an welche Einrichtungen man denkt. Es gab ja im Vorfeld der Pandemie bereits privatwirtschaftliche Online-Einrichtungen, für die war die Pandemie, um es fast etwas zynisch auszudrücken, ein Gewinn, da ihr Geschäftsmodell tragfähig war und zudem erweitert werden konnte. Andere Einrichtungen, z. B. aus dem kirchlichen Bereich, die hatten oder haben meiner Kenntnis nach zumindest keine Existenzprobleme, weil sie von den Trägern unterstützt werden. Sorgen, zum Insolvenzgericht gehen zu müssen, muss man sich dort nicht machen. Und für den Bereich der öffentlichen Weiterbildung sieht es unterschiedlich aus. Ich war z. B. vor einiger Zeit an einer hessischen Kreisvolkshochschule und hatte dort die Gelegenheit, mit einigen Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch zu kommen. Als jemand, der in der bayerischen Volkshochschularbeit tätig war, merkte ich, dass es von Bundesland zu Bundesland erhebliche Unterschiede gibt. In Hessen sind die Volkshochschulen als kommunale Einrichtungen fest in der Kommune verankert. Das gibt einen relativ hohen Grad an Sicherheit und Planbarkeit. Natürlich macht man sich perspektivisch auch dort Sorgen, wie es mit der kommunalen Finanzlage weitergeht, ob man ausreichende kommunale Unterstützung in der Krisen- und Nachkrisenzeit erhält und welche Folgen das für die Volkshochschulen hat. Aber in anderen Bundesländern, in denen ein großer Teil der Einrichtungen noch als eingetragener Verein oder als GmbH organisiert ist, da ist die Unsicherheit erheblich größer. In den Jahren vor der Pandemie haben die Volkshochschulen viele Herausforderungen erfolgreich bewältigt. Angefangen von der Entwicklung innovativer Lehr- und Lernarrangements über die Gewinnung neuer Zielgruppen bis hin zu den enormen Bildungs- und Unterstützungsleistungen im Zuge der Migrationsströme nach 2015. Flexibel wurden die Kapazitäten für das Deutschlernen erheblich erweitert. Schnell wurde die qualitativ gute Integrationsbildung ausgebaut. Die Kommunen spürten und konnten wahrnehmen, was sie an ihren Volkshochschulen haben. Alles Punkte, bei denen man auch sehen kann, wie flexibel die Organisationen der Volkshochschule sind.

Und dann erwischt einen diese Pandemie im Grunde genommen in einer fundamentalen Art und Weise, und zwar auch in Bezug auf das Selbstverständnis: Einrichtungen, die von sich aus immer in ihren Leitbildern „Wir sind offen für alle“ proklamierten und dies auch lebten und plötzlich überhaupt nicht mehr offen sein konnten, geraten in eine Krise. Und in der Krisensituation zeigt sich, wie fragil das öffentliche Weiterbildungssystem ist und wie fragil viele einzelne Einrichtungen sind.

Woran machen Sie das fest?

Diese Fragilität lässt sich an einigen Merkmalen verdeutlichen. Nehmen wir als erstes Beispiel die Wirtschaftlichkeit. Volkshochschulvertreter*innen sagen gerne über sich selbst „Wir arbeiten wirtschaftlich“. Es ist gut, wenn man mit Steuergeldern und Geldern der Teilnehmenden wirtschaftlich vernünftig umgeht. Die Wirtschaftlichkeit geht vielfach aber so weit, dass die Einrichtungen von den Kostendeckungsbeiträgen leben. Das heißt, ein Kurs muss im Schnitt mehr Erträge, als die Kosten für den Dozent oder die Dozentin ausmachen, erwirtschaften. Wenn sie aber jetzt plötzlich in einem Unterrichtsraum von 50 Quadratmetern statt 16 bis 18 Teilnehmende nur noch 10 Teilnehmende unterbringen dürfen, dann können sie die Kurse zwar noch laufen lassen, aber sie machen im Grunde genommen mit jedem Kurs wirtschaftlich gesehen ein Minus, weil ihnen ein großer Teil des Kostendeckungsbeitrags wegfällt. Und diese Zusammenhänge haben sogar einige in der Kommune, einige Kämmerer doch überrascht, weil die das so genau bislang gar nicht durchblickt hatten. Ein zweiter Faktor, der die Fragilität bedingt, ist die Abhängigkeit von fremden Räumen. Die volkshochschuleigenen Räume reichen bekannterweise meist nicht für das breite Programm aus. Also werden Raumsynergien in der Kommune genutzt, in Schulen oder anderen kommunalen Einrichtungen. Nun ist es in den Jahren vor der Pandemie schon so gewesen, dass bei vielen politischen Entscheidungsträgern ein doppeltes Missverständnis vorhanden war: Zum einen, dass Schule eine reine Vormittagsveranstaltung sei, und zum anderen, dass Volkshochschule nur abends stattfinden würde. Beides stimmt aber so natürlich nicht. Schule ist eine Ganztagesveranstaltung und Erwachsenenbildung ist eine Ganztages-, Wochen-, Wochenend- und eine Ganzjahreseinrichtung.

In der Pandemie muss sich die Volkshochschule am eigenen Hygienemanagement ausrichten und an den Anforderungen, die an die Nutzung der Fremdräume gestellt sind. Nicht selten haben Schulen den Zugang für externe Nutzende einfach komplett dichtgemacht.

Ich möchte noch ein weiteres Beispiel nennen, an dem ich die Fragilität der öffentlichen Erwachsenenbildung festmache: die Situation der Dozentinnen und Dozenten. In der Pandemie sind Tausende von freiberuflichen Dozentinnen und Dozenten – die die Lehrtätigkeit an Volkshochschulen als eine für ihren Lebensunterhalt bedeutsame Einnahmequelle haben – in eine materielle Not gekommen. Diese freiberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden in nahezu allen Förderprogrammen schlichtweg vergessen. Diese Personen werden an ihrer Lehrtätigkeit sowieso nicht reich, nun hatten sie im Notfall keine wirkliche Absicherung.

Ein letztes Beispiel für die Fragilität der öffentlichen Erwachsenenbildung: Zu Beginn der Pandemie stand in fast allen staatlichen Infektionsschutzrichtlinien ausdrücklich, dass die berufliche Bildung unter Einhaltung bestimmter Vorgaben stattfinden kann, während die Allgemeinbildung trotz eines guten Hygienemanagements der Einrichtungen abzusagen war. Ich hatte und habe ein großes Verständnis für das präventive Hygienemanagement. Die vorgenommene scheinbar selbstverständliche bildungspolitische Prioritätensetzung irritiert mich gleichwohl. Das verdeutlicht meines Erachtens auch, wie fragil das Verständnis und die Relevanz von Erwachsenenbildung für bildungspolitische Entscheidungsträger ist. Diese bereits vor der Corona-Pandemie vorhandene, nicht immer wahrgenommene Fragilität wurde in der Pandemie noch einmal erheblich verstärkt.

Sie haben Eingangs auf das Online-Lernen hingedeutet. Vielfach wird die Corona-Pandemie auch als „Digitalisierungsbeschleuniger“ bezeichnet, also als ein externer Einflussfaktor, der dazu führt, dass das Kompetenzniveau, in den Einrichtungen digitale Bildungsangebote anzubieten und zu realisieren, steigt. Wir sehen auf unterschiedlichen Ebenen vielfältige Aktivitäten dazu, angefangen vom Manifest zur digitalen Transformation vom Deutschen Volkshochschulverband über einschlägige Fortbildungsprogramme für die Kursleitenden bis hin zu bildungspolitischen Absichtserklärungen und Förderprogrammen. Darüber hinaus steigerte die Praxis ihre digitalen Angebote enorm. Befinden wir uns also gerade im finalen Übergang zur digitalen Weiterbildung, bei der ein immer größer werdender Programmanteil online angeboten wird?

Zahlreiche Einrichtungen mussten quasi von heute auf morgen Online-Angebote auf die Beine stellen. Die Corona-Pandemie löste daher also durchaus eine gemeinsame Lernentwicklung aus, bei der Dozentinnen und Dozenten sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam lernen mussten. Sie mussten erlernen, wie die technische Anwendung funktioniert, welche didaktischen Konzepte passen, dass sich die Kommunikation verändert, auch eingeschränkt wird, und dass der Präsenzunterricht eben nicht eins zu eins übertragen werden kann. Es sind eine enorme Energie und viel Kreativität freigesetzt worden und auch eine hohe Toleranz im Umgang miteinander wurde gelebt. Vieles würde man im Nachhinein sicher anders machen, aber insgesamt hat es in vielen Einrichtungen zu einem erheblichen Innovationsschub geführt. Was vorher konzeptionell angedacht worden war, wurde plötzlich mit enormer Geschwindigkeit realisiert. Für die Gesamtorganisation war das eine wichtige Erfahrung, wie schnell so ein Transformationsprozess ablaufen kann, natürlich mit Vor- und Nachteilen.

Bei den ganzen Erfolgen, die wir in Bezug auf die realisierten Online-Settings gesehen haben, haben wir auch wahrgenommen, was den Menschen gefehlt hat. Das haben die Teilnehmenden auch direkt an uns adressiert. Ich kann mich an eine ältere Teilnehmerin erinnern, die mich angerufen und zu mir gesagt hat: „Wissen Sie, was die Volkshochschule einem bedeutet, merkt man erst, wenn sie nicht mehr da ist“. Präsenz – auch das ist eine meiner Krisenerfahrungen – hat eine eigene, unverzichtbare Qualität. Wir diskutieren interessanterweise doch auch aktuell für die Schule und sogar Universität, wie wichtig das Präsenzlernen ist. Das gilt für die Erwachsenenbildung ebenso. Wir haben doch nicht nur Erfolge mit den Online-Angeboten gehabt, sondern waren beispielsweise auch direkt mit der digitalen Spaltung der Gesellschaft konfrontiert. Uns sind doch auch Teilnehmendengruppen weggebrochen. Viele akzeptierten diese Lernform als Übergangs-, aber nicht als Dauerlösung. Im Übrigen haben wir auch eine Reihe erfolgreicher Kursleiter*innen verloren. Einen finalen Übergang, wie Sie es in der Frage formulierten, sehe ich überhaupt nicht. Es geht nicht um ein „Entweder-oder“, sondern tatsächlich eher um eine Erweiterung und auch Kombinationsform von Lehr- und Lernangeboten. Das Wegbrechen von Teilnehmendengruppen wäre vielleicht ein zu lösendes Problem gewesen, wenn wir nach einem halben Jahr wieder hätten vollständig öffnen können. Dann wären die meisten wahrscheinlich mit Freuden wiedergekommen. Sie haben ja immer angerufen und uns gefragt „Wann geht es weiter, wann kann ich meinen Kurs wieder vor Ort machen?“. Nach einer so langen Zeit mit mehreren Öffnungen und Schließungen, den vielen Einschränkungen und Unsicherheiten, da ist mehr verloren gegangen. Da wurden Teilnahmekontinuitäten und enge Verbindungen gekappt und diese wiederaufzubauen, das wird eine enorme Herausforderung sein, für die wir sicherlich mehrere Programmhalbjahre benötigen. Wir haben über das Online-Lernen sicherlich auch neue Zielgruppen gewonnen, die vorher nicht an der Volkshochschule waren, weil sie an der Volkshochschule gar keine Online-Settings erwartet haben. Diese Gruppen sehen für sich in ihrer Lebenssituation Vorteile des Online-Lernens. Der Aspekt des unmittelbaren sozialen Zusammenseins mit – so nennt man das heute wohl – körperlicher Präsenz spielt bei diesen Gruppen eine eher nachgeordnete Rolle. Eine zukünftige Herausforderung liegt deshalb darin, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wiederzugewinnen, die wir verloren haben, und die Teilnehmergruppen, die wir gewonnen haben, wenn es möglich ist, auch an die Volkshochschule zu binden.

Was bedarf es, um diese Herausforderung zu meistern?

Zunächst einmal bedarf es Investitionen. Für mich ist es auch nicht untypisch, dass bei allen bildungspolitischen Digitalisierungspakten auf Bundes- und Landesebenen, die beschlossen wurden, die allgemeine Erwachsenenbildung kaum berücksichtigt wird. Wir wissen, dass die Fördermittel aus dem Digitalprogramm für die Schulen bei Weitem nicht vollständig abgerufen wurden. Ich hätte mir nur wenige Prozent dieser Fördermittel des Digitalpakts Schule für die Erwachsenenbildung gewünscht. Das Geld wäre innerhalb von einem Monat abgerufen und sinnvoll eingesetzt worden. Auch hier sieht man die bildungspolitische Vernachlässigung von Erwachsenenbildung. Wir brauchen also Investitionen in die digitale Infrastruktur, allerdings sind das keine Einmal-Investitionen. Die Technik muss gepflegt werden, die Lehrenden müssen stetig qualifiziert werden und die Vermarktung muss zum Teil über andere Kanäle erfolgen. Der Aufbau digitaler Kompetenzen bei den Mitarbeitenden verlangt nach einer kontinuierlichen Personalentwicklung, mit dem hauptberuflichen und dem freiberuflichen Personal. Und ich bin überzeugt, dass wir ein bestimmtes Personal brauchen mit Spezialqualifikationen. Aber auch das kostet eben kontinuierlich Geld.

Im Kern geht es um die Frage, was können wir realisieren und auf was wollen wir nicht verzichten? Was hat sich als überflüssig erwiesen und was ist unabdingbar? Die Einrichtungen sind dabei – wenn ich das richtig beobachtet habe –, sich den Möglichkeitshorizont der zukunftsorientierten erweiterten Lernwelten praktisch zu erarbeiten. Viele Menschen gehen aber deshalb zur Volkshochschule, weil sie etwas lernen wollen und dabei in einem direkten, persönlichen Austausch mit Dozierenden und anderen Teilnehmenden stehen wollen. Sie möchten auch ein unmittelbares soziales Erlebnis, das im Übrigen auch motivierend und lernförderlich ist. Also: Bei allen Erweiterungen der Lernwelten bleibt deshalb die Weiterentwicklung der Präsenzkultur eine Daueraufgabe. Eine Präsenzkultur ist in einer Gesellschaft, in der immer mehr Lebenswelten durch Digitalisierungsprozesse durchdrungen werden, womöglich hochmodern.

Lassen Sie uns noch mal auf den Aspekt von Übergängen zurückkommen, den Sie am Anfang in Bezug auf den eigenen biografischen und den organisationalen angesprochen haben. Es ist spannend, dass Sie im Prinzip auch über das Gestalten von Übergängen gesprochen haben. Was jetzt in Ihren Ausführungen auffällt, ist, dass der Faktor Zeit eine entscheidende Bedeutung hat. Manchmal hat man Zeit, um sich auf Übergänge vorbereiten zu können, zu planen und z. B. bestimmte Arbeiten vorher ausschleichen zu lassen. Manchmal kommt der Übergang aber auch ad hoc, fast brutal, und es muss alles sehr schnell gehen. Wie gelingt es, als Organisation mit solchen Voraussetzungen gut umzugehen und alle Übergänge gut zu meistern?

Es kommt darauf an, dass wir versuchen, und das ist vielen Kolleginnen und Kollegen meiner Beobachtung nach auch gut gelungen, die Organisation präventiv flexibel zu halten. Die Organisation muss entsprechend ausreichend in die Weiterbildung der Belegschaften, in die eigene Personalentwicklung investieren. Wenn eine gewisse Offenheit für Veränderung präventiv vorhanden ist, dann gelingt die Gestaltung von Übergängen umso besser. Strukturell ist die Offenheit im Übrigen in kleineren Einrichtungen häufig sowieso vorhanden, weil sie dort ganz viele pädagogische Zehnkämpferinnen und Zehnkämpfer haben. Die Leitungen betreuen neben der Führung der Einrichtung einen Programmbereich, die pädagogischen Mitarbeitenden wechseln im Bedarfsfall zwischen den Bereichen und damit zwischen unterschiedlichen Themenfeldern. Die Verwaltungsmitarbeitenden sind nicht nur in einem Teilbereich der Verwaltung tätig, sondern übernehmen die Anmeldung, arbeiten mit der Verwaltungssoftware, unterstützen die Veranstaltungsorganisation usw. Wenn solche Mischarbeitsplätze vorhanden sind, ist eine hohe Flexibilität der Organisation präventiv eher vorhanden. Hier haben wir eher das Problem der strukturell vorgegebenen Überlast. Vielleicht kann diese perspektivisch mit Kooperationen in regionalen VHS-Verbünden reduziert werden.

Sie haben in einem anderen Kontext einmal davon gesprochen, dass sich Weiterbildungseinrichtungen zu selbstlernenden Systemen weiterentwickeln sollten, was ja auch in die Richtung geht, dass sich die Organisationen präventiv flexibel halten müssen. Befinden wir uns also gerade in einem Übergang zu einer anderen Art von öffentlicher Weiterbildungsorganisation, quasi einer agilen Organisation, von der man zurzeit so viel hört, oder geht es letztendlich doch eher vielmehr „nur“ um die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeitenden?

Man muss immer selbst lernen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Jeder Mensch lernt selbst und ich glaube auch, dass die Organisationen der Weiterbildung über die Veränderungen in der Umwelt, über die Veränderung der Nachfrage, über die neuen Themen, die aufkommen, über die Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen usw. immer auch lernten oder lernen mussten, was Lernprozesse ihrer Mitarbeitenden voraussetzt. Da die Menschen im Regelfall freiwillig an der Erwachsenenbildung teilhaben, müssen die Organisationen den Adressat*innen offen gegenüberstehen. Das heißt, es stellen sich immer die Fragen: „Was brauchen Menschen?“, „Welche Bildungsinteressen haben die Menschen?“. Es gibt eigene Selbstverständnisse der Einrichtungen und der pädagogischen Mitarbeitenden, die dann in Planungsprozessen zu berücksichtigen sind, und es gibt gesellschaftliche relevante Themen, solche Themen, für die man Bildungsinteressen und Lernmotivation er- und aufschließen muss. Wenn die unterschiedlichen Perspektiven miteinander in einem vernünftigen Verhältnis stehen, dann ist eine Organisation schon selbstlernfähig und selbstlernkompetent.

In den letzten zwanzig Jahren, in denen wir in der Erwachsenenbildung über Bildungsmanagement diskutiert haben, hat sich auch etwas an dem Führungsverständnis in den Einrichtungen geändert. Da wird aus meiner Sicht jetzt viel professioneller gearbeitet. Eine Einschränkung muss erwähnt werden. Mancherorts wird dann mit einer falsch verstanden Professionalität gearbeitet, wenn sich das Management eindimensional an betriebswirtschaftlichen Kategorien orientiert. Das Bildungsmanagement in öffentlichen Erwachsenenbildungseinrichtungen hat sich m. E. immer an der zentralen Aufgabe auszurichten, möglichst vielen Menschen Bildungsmöglichkeiten und Wege zu erfolgreichem Lernen zu ermöglichen.

Was heißt überhaupt agiles Management? Das heißt doch in unserem Arbeitsfeld, dass man beweglich, aber nicht offen für jeden Unfug ist. Da braucht man Spaß und Motivation, auch mal an neue Sachen heranzugehen, bei denen man eben noch nicht zu 100 Prozent weiß, was dabei rauskommt. Aber man braucht wegen der pädagogischen Verantwortung auch eine professionelle Qualitätshaltung. Agiles Management bedeutet für mich also mehr als eine gedankliche Beweglichkeit, planerische Veränderungsoffenheit und eine innovative Umsetzungsbereitschaft.

Ein bisschen ist damit ja auch ein positives Potenzial der Corona-Pandemie angesprochen, wenn wir das mal so bezeichnen dürfen. Die von außen auf die Weiterbildungsorganisation einwirkende Störung bewirkt, dass nicht nur darauf reagiert wird, sondern dass sich etwas im Inneren entwickelt, wie das pädagogische Selbstverständnis, die Reflexionsnotwendigkeit und die Haltung gegenüber grundsätzlichen und schnellen Veränderungen?

Hierzu vielleicht ein Beispiel, woran ich das festmache: Als die Einrichtungen in bestimmten Phasen der Pandemie ganz geschlossen waren, da hätte man ja schnell sagen können „Ja, ist doch toll, endlich haben wir mal weniger zu tun“ oder „Jetzt ist der Stress mal weg“. Den schlimmsten Stress, den ich in meinem Berufsleben bei den Kolleginnen und Kollegen erlebt habe, war aber dieses permanente unsichere und vermeintlich unproduktive Arbeiten. Also ständig Kurse absagen, Leute hinhalten, Menschen enttäuschen, Veranstaltungen verschieben und neu planen, Kursdaten aktualisieren, ohne zu wissen, ob dies notwendig war. Das alles macht nicht nur wenig Spaß, es zermürbt. Ich habe selten so viele erschöpfte Kolleginnen und Kollegen erlebt wie in der Pandemie. Da habe ich unsere Art von Professionalität, die wir in der Erwachsenenbildung leben, wieder neu schätzen gelernt. Es ist nämlich etwas Gutes, wenn keiner darauf Lust hat, Kurse abzusagen. Denn das zeigt den großen Wunsch nach realisierter Bildung und gelungenen Bildungsveranstaltungen, nach Erfolgserlebnissen für die Teilnehmenden, aber natürlich auch für die Mitarbeitenden. Die hohe Identifikation mit der Aufgabe wurde deutlich. Mit den Krisenerfahrungen wurden in vielfacher Hinsicht die Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis und die Reflexionsfähigkeit angeregt. In der Krisensituation bleibt natürlich wenig Zeit, sich damit in den Teams systematisch zu beschäftigen. Ich hoffe, dass wir bald in eine Situation kommen, in der sich die Kolleginnen und Kollegen den hierfür notwendigen Raum schaffen können.

Wir haben mit der Digitalisierung, der Corona-Pandemie oder der agilen Organisation bereits ein paar für die Organisation relevante Übergangsphänomene angesprochen. Ein weiteres großes Thema war in den letzten Jahren der Generationenwechsel in den Einrichtungen, der individuelle und organisationale Übergangsprozesse auslöst, die es seitens des Bildungsmanagements zu bearbeiten gilt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Wenn ich das richtig sehe, haben die Volkshochschulen die Phase des großen Personalwechsels hinter sich. Es gab Berufskohorten, die in den 1970er- und 1980er-Jahren in der Volkshochschule eingestellt wurden. Aufgrund eines sich eher verengenden Arbeitsmarkts in der Erwachsenenbildung wurden sie in den Einrichtungen auch älter. Das heißt übrigens aber nicht automatisch, dass sie unflexibel wurden. Daher mussten nicht wenige Einrichtungen in den letzten Jahren einen großen Personalwechsel innerhalb kurzer Zeit verkraften. Das ist ein Wandel mit positiven und negativen Aspekten, da tun sich Chancen zur Weiterentwicklung der Organisation auf, aber man musste auch erfahren, dass über viele Jahre aufgeschichtete Kompetenzen verloren gegangen sind. In einigen Einrichtungen waren deshalb – zumindest meinem Eindruck nach – auch erhebliche Friktionen zu verkraften. Ich überspitze jetzt mal bewusst: Jeder kennt diesen Typus einer bereits seit über 30 Jahren an der Volkshochschule angestellten Verwaltungsmitarbeiterin, die höchst engagiert und flexibel ihre Arbeit verrichtet. Wenn der Hausmeister krank ist, geht sie abends in die Volkshochschule, räumt auf und schließt zu. Und wenn am Wochenende jemand anruft und sagt „Hier fehlt etwas im Raum“, dann sagt sie nicht „Ich habe jetzt Wochenende“, sondern sie fährt hin und das Problem wird geklärt. Heute haben wir auch Kolleginnen und Kollegen – das meine ich anerkennend –, für die die Work-Life-Balance ein Teil ihres Lebensstils ist. Sie bewirken damit auch viel Positives: Weil sie häufig auf ihre Zeit besser achten, weil sie eine sinnvolle Art von Arbeitsökonomie beherrschen. Vielleicht noch ein Hinweis auf einen anderen Aspekt des Generationswechsels. Nicht wenige pädagogische Mitarbeitenden meiner Generation sind von einem stark aufgeladenem normativem Bildungsverständnis, das auf gesellschaftliche Veränderung zielt, geleitet. Jüngere Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls einen hohen Qualitätsanspruch an ihre pädagogische Planungsarbeit haben, sehen das – so mein subjektiver Eindruck und wahrscheinlich auch viel zu pauschalisierend – häufig etwas „cooler“, möglicherweise schätzen sie die Reichweite von Bildungswirkungen realistischer ein. Solche unterschiedlichen Perspektiven und ausgeprägten Selbstverständnisse können einer Einrichtung auch guttun, wenn es in geeigneter Form gelingt, sich damit gemeinsam auseinanderzusetzen. Für die Steuerung der Einrichtungen, für das Bildungsmanagement, ergibt sich daraus die Herausforderung, die unterschiedlichen Ausprägungen zu reflektieren und daraus Folgerungen abzuleiten.

Kommen wir zum Schluss unseres Gesprächs auf die Post-Corona-Zeit und die dann anstehenden Herausforderungen zu sprechen. Wenn Sie resümieren und zudem ein bisschen in die nähere Zukunft blicken: War es das jetzt erst einmal? Oder kommen dann die nächsten großen Herausforderungen und die nächsten für die Organisation bedeutsamen Wandlungs- und Übergangsprozesse?

Eine wichtige Aufgabe wird es in der nächsten Zeit sein, das Programmprofil der öffentlichen Erwachsenenbildung wieder in gewohnter Breite aufzustellen. Ich rede jetzt nicht über die Lernformate, sondern überhaupt über das thematische und inhaltliche Programmprofil. Es gibt Bereiche wie die Fremdsprachen, die konnten noch einigermaßen, zumindest temporär, gut in Online-Angeboten abgebildet werden. Aber Bereiche wie beispielsweise die kulturelle Weiterbildung, insbesondere wenn es um das praktisch-kulturelle Gestalten geht, konnten nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden. In der nächsten Zukunft wird es also darum gehen, dass durch die Corona-Pandemie eingeengte Programmprofil wieder zu erweitern und die gesamte thematische Breite und Tiefe des Programms wiederzuerlangen.

Für die weitere Organisationsentwicklung gilt es, das richtige Maß zu finden, mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen ein geeignetes Veränderungstempo zu gehen, die Mitarbeitenden mitzunehmen, das Bewährte nicht nur zu erhalten, sondern weiterzuentwickeln und mit Neuem zu erweitern – das waren und bleiben die zukünftigen Daueraufgaben.

Wir werden aber diesen Herausforderungen nicht unter den jetzigen Bedingungen vollständig gerecht werden können. Wir werden mit der jetzigen Honorarhöhe nicht mehr dauerhaft die gut qualifizierten und hoch motivierten Dozentinnen und Dozenten halten können. Der Fachkräftemangel, so ist zu befürchten, wird auch in der Erwachsenenbildung ankommen. Im Vergleich zu den anderen Bildungssektoren ist die öffentliche Erwachsenenbildung chronisch unterfinanziert. Alleine schon die Tatsache, dass die Corona-Pandemie die Existenz einiger Einrichtungen gefährdet und dies in keinem anderen Bildungsbereich in diesem Ausmaß der Fall ist, ist irritierend. Kein Kindergarten, keine Schule und keine Hochschule muss ernsthaft darüber nachdenken, ob die Arbeit nach der Pandemie fortgesetzt werden kann, dagegen einige Einrichtungen der Erwachsenenbildung schon. Von daher wird die fachpolitische Arbeit der Verbände mit dem Ziel einer Verbesserung der finanziellen Ausstattung von großer Bedeutung sein. Der beschriebenen Fragilität muss entgegengesteuert werden.

Und noch etwas scheinbar Selbstverständliches, Generelles zum Schluss. Wir müssen uns vom Gedanken verabschieden, fertig zu sein. Das gilt für jeden Einzelnen und jede Einzelne, aber auch für die Organisation. In einer sich verändernden Gesellschaft kann die Entwicklung einer Einrichtung, die auch in Zukunft offen für alle sein will, nie abgeschlossen sein. Das ist banal und zugleich immer wieder herausfordernd.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interviewer

Timm C. Feld, Dr., Leitung der Volkshochschule der Stadt Wetzlar.

Sebastian Lerch, Prof. Dr., Professor für Erwachsenenbildung/Weiterbildung am Institut für Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch die Redaktionskonferenz am 17.02.2022 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication following the editorial meeting on the 17th February 2022.

Das Interview wurde am 05.10.2021 geführt.