Service: Erwachsenenbildung und Corona-Krise
Erwachsenenbildung und Corona-Krise – zur Einführung
Christiane Ehses, Bernd Käpplinger, Wolfgang Seitter
Unser Schwerpunktheft sichtet internationale Perspektiven in der und auf die Erwachsenenbildung. Die derzeitige Corona-Pandemie ist ebenfalls ein internationales Phänomen, auf paradoxe Weise einigend und trennend: Wie kaum je ein Thema zuvor prägt sie Europa und die gesamte Welt. Keine Nation, keine Region bleiben global unberührt, wenngleich Form und Ausmaß der Betroffenheit sehr unterschiedlich ausfallen dürften. In diesem Sinne ist die Corona-Pandemie das weltweit dominierende Diskursthema schlechthin. Dies erfahren wir auch über Krisenberichte in der Erwachsenenbildung, insbesondere bezüglich der Existenzängste von Erwachsenenbildungsinstitutionen weltweit, ihrem Personal und ihrem Angebot für alle Schichten. Auf der anderen Seite erleben wir Abschottungen in ungeahntem Ausmaß: Reise- und Kontaktverbote, Grenzkontrollen, Absagen sämtlicher internationaler Tagungen, Seminare und Begegnungen. In nicht allzu ferner Zukunft drohen Kürzungen für Erwachsenenbildung.
Angesichts dieser gegenwärtigen Krisensituation hat sich die Redaktion der Hessischen Blätter für Volksbildung dazu entschlossen, den Serviceteil – anders als sonst üblich – in Gänze dem Thema „Erwachsenenbildung und Corona-Krise“ zu widmen. Mit dieser frühen Reaktion möchten die Hessischen Blätter ihren Leserinnen und Lesern zeitnah Einsichten ermöglichen, indem sie Stellungnahmen, Kommentierungen, Verfahrensweisen und erfahrungsbezogene Rekapitulationen bündeln, die insbesondere im Kontext des vierwöchigen Shutdown zwischen Mitte März bis Mitte April (16.3. bis 19.4.2020) entstanden sind.
In einem ersten Teil sind verbandliche Stellungnahmen des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (18.3.2020) sowie der European Association for the Education of Adults (24.3.2020) zusammengestellt, die allesamt auf die prekäre Situation der Erwachsenenbildung – insbesondere mit Blick auf die im Bildungsbereich untypische Konstellation von Beschäftigungsverhältnissen – hinweisen und einen entsprechenden Rettungsschirm auch für Erwachsenenbildung fordern (1).
In einem zweiten Teil werden exemplarisch für den Bereich der integrations-, berufssprach- und arbeitsmarktbezogenen Maßnahmen die Entwicklung von einer frühen verbandlichen Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (18.3.2020) über Modi der standardisierten Anfragebearbeitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (3.4.2020) bis hin zu einer Zusammenstellung von verfahrensbezogenen Erleichterungen (Agentur für Arbeit) und der Sozialschutz-Paketmaßnahmen für die Träger der beruflich geförderten Weiterbildung (20.4.2020) aufgezeigt (2).
In einem dritten Teil werden zwei kommentierende Berichte von Peter Brandt (16.3.2020) und Bernd Käpplinger (17.3.2020) abgedruckt, die erste Deutungsversuche der Auswirkungen für die Erwachsenenbildung samt den damit verbundenen Herausforderungen/Risiken präsentieren (3).
Der letzte Teil versammelt zwei erfahrungsverdichtende Berichte des Bayerischen Volkshochschulverbandes (Geschäftsstelle und Vorstand) (3.4.2020) und der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung des Landes Niedersachsen (Martin Dust) (19.4.2020), die erste resümierende Einsichten über Innovationkraft, Funktion und Stellenwert von Erwachsenenbildung (in der Krise) sowie eine differenzierte chronologische Beschreibung der Aktivitäten und Interventionen einer intermediären Erwachsenenbildungseinrichtung geben (4).
Der Situation geschuldet, sind diese Stellungnahmen und Berichte Momentaufnahmen, die möglicherweise beim Erscheinen des Heftes in Teilen schon wieder historischen Charakter haben. Sie zeigen an, wie sich die Erwachsenenbildung und die sie steuernden Akteure in der aktuellen Krisensituation positionieren, worauf sich Aufmerksamkeitsfoki richten, welche Risiken, aber auch Chancen (z. B. Digitalisierung) diesem insgesamt lose gekoppelten System inhärent sind. Prekäre Existenzbedingungen, besondere Legitimationsanstrengungen, aber auch: ein hohes Maß an situativer Flexibilität, Krisenfestigkeit und Innovationsfähigkeit geben Hinweise auf die ambivalente Verortung der Erwachsenenbildung in Deutschland. Die Redaktion der Zeitschrift hat bereits beschlossen, im kommenden Jahr ein Themenheft „Erwachsenenbildung in Zeiten von Corona“ zu gestalten, um mit größerem zeitlichem Abstand (absehbare) Auswirkungen und (dauerhafte) Herausforderungen für die Erwachsenenbildung besser analysieren und empirisch fundieren zu können.
(1) Verbandliche Stellungnahmen
Deutscher Volkshochschul-Verband (DVV)
Kommunale Daseinsvorsorge durch Corona-Krise bedroht Volkshochschulen, und ihre Lehrkräfte benötigen finanzielle Hilfen
Die Ausbreitung des gefährlichen Corona-Virus stellt unser Land vor die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Nun sind Vernunft und die Solidarität aller Menschen in Deutschland gefragt. Die Volkshochschulen, die sich dem gesellschaftlichen Zusammenhalt besonders verpflichtet fühlen, werden alles in ihrer Macht stehende tun, um die notwendigen einschneidenden Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen zu unterstützen.
COVID-19 wird das öffentliche Leben, die Wirtschaft und nicht zuletzt das Bildungssystem über Monate lähmen. Auch in der Weiterbildung werden Kurse, Lehrgänge und Prüfungen für längere Zeit ausgesetzt bleiben, sofern sie nicht online durchgeführt werden können. Bürgerinnen und Bürgern werden somit zuhauf Weiterbildungsangebote fehlen, die sie für ihr persönliches und berufliches Fortkommen und für ihre gesellschaftliche Teilhabe brauchen.
Als kommunale Weiterbildungszentren in öffentlicher Trägerschaft treffen die Folgen der Corona-Krise auch die Volkshochschulen schwer. Die seit dem 16. März 2020 von Bund und Ländern angeordnete Schließung von Volkshochschulen für den öffentlichen Betrieb führt zu erheblichen Einnahmeausfällen. Unabhängig von ihrer Rechtsform fehlen den gemeinnützigen Volkshochschulen die notwendigen Reserven, um die fehlenden Einnahmen kompensieren zu können. Viele der bis zu 200.000 freiberuflichen Kursleiterinnen und Kursleiter an Volkshochschulen sind durch den Unterrichtsausfall in ihrer Existenz bedroht.
Die derzeitigen Beschränkungen des Lehrbetriebs sind sinnvoll und notwendig, dürfen aber nicht dazu führen, dass Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge wie die Volkshochschulen strukturell gefährdet werden und ihre Leistungsfähigkeit verlieren. Denn wenn die Corona-Krise ausgestanden ist und die Wirtschaft wieder anspringt, werden vor Ort in den Städten und Gemeinden ganz schnell ausreichend Kapazitäten benötigt werden, um versäumte Integrationskurse, Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung, Schulabschlusskurse und andere für das Gemeinwohl unverzichtbare Weiterbildungen für Tausende von Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Volkshochschulen und ihre Kursleiterinnen und Kursleiter sehen sich in der Pflicht, ein entsprechendes quantitatives und qualitatives Angebot vorzubereiten. Sie benötigen staatliche Hilfen, um die Krise überstehen zu können.
Im politischen Raum setzen wir uns ein für ein Gesamtpaket:
- Volkshochschulen gehören unter den Corona-Schutzschirm der Bundesregierung. Den rund 900 Volkshochschulen entstehen durch die verfügten Betriebsschließungen Einnahmeausfälle aus Kursgebühren, die nicht kompensiert werden können. Benötigt werden Zuschüsse und keine Kredite, damit die Volkshochschule als Zentraleinrichtung der kommunalen Bildungslandschaft keinen irreparablen Schaden nimmt.
- Der von der Kultusministerkonferenz und der Bundesregierung vorgesehene Nothilfe-Fonds für Kulturschaffende muss auch den Bildungsschaffenden offenstehen. In den Volkshochschulen sind bis zu 200.000 freiberufliche Kursleiterinnen und Kursleiter tätig. Viele unter ihnen sind durch Kursausfälle existenziell bedroht. Die Kursleitenden bedürfen einer schnellen und unbürokratischen Unterstützung.
- Bundesbehörden wie die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind in der Pflicht, den Trägern die vereinbarte Vergütung für die Zeit der Unterbrechung der Maßnahmen zu erstatten. Die Träger haben für die Maßnahmen nicht nur viel Planungs- und Konzeptionsarbeit aufgewandt, sondern sie sind auch finanzielle Verpflichtungen eingegangen, derer sie sich angesichts der kurzfristig verfügten Betriebsschließungen nicht entledigen können.
- Die Zuwendungsgeber auf Bundes- und Landesebene müssen sicherstellen, dass den Zuwendungsempfängern keine Nachteile durch Projektunterbrechungen/-anpassungen sowie durch verzögerte oder nicht vollständig erfüllte Zielerreichung infolge der Corona-Krise entstehen. Abgesagte Veranstaltungen dürfen sich nicht negativ auf die einkalkulierten Overheads auswirken.
- Die Abrechnungsmodalitäten mit staatlichen Einrichtungen müssen rasch und unbürokratisch geregelt und umgesetzt werden, damit keine Liquiditätsengpässe entstehen.
- Um den Menschen auch ohne Präsenzkurse Weiterbildung und Austausch zu ermöglichen, bauen Volkshochschulen derzeit überall im Land ihre OnlineLernangebote aus. Zum Ausbau ihrer digitalen Infrastruktur brauchen Volkshochschulen jetzt die Unterstützung der Länder und zusätzliche Mittel, wie sie der Bund im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.
Quelle: https://www.volkshochschule.de/pressemitteilungen/corona-bedroht-kommunale-daseinsvorsorge.php
European Association for the Education of Adults (EAEA)
Support for ALE providers needed to mitigate consequences of the Coronavirus (COVID-19) pandemic
Society across Europe and beyond is hit hard by the Coronavirus (COVID-19). People are affected in their daily life and afraid of the consequences for their health, jobs and well-being. All across the continent, ALE providers are forced to close with dramatic consequences for employers, the sustainability of the institutions, employees, and, not least, the learners.
As no other education sector, ALE employs thousands of freelance trainers who are struggling hard to cope with this situation. This particular employment model that is precarious for many freelance trainers even without a crisis, has been the result of insufficient structural and financial support of ALE providers over a long period, in almost all European countries.
While, in some contexts, courses and training programmes can still be continued online, a vast majority of them had to be cancelled. Non-formal ALE not only transmits knowledge, skills and competencies, but it is also a key measure for social inclusion of the most vulnerable groups of society. These groups suffer most from the crisis as they are most likely to lack access to ICT devices and strong internet connections. Furthermore, in this difficult economic and social situation, people’s priorities shift to fulfilling their most urgent basic needs and those of their families.
EAEA, the voice of non-formal ALE in Europe will monitor the situation closely and advocate for measures to mitigate the impact of the crisis. We expect national governments and the European institutions to take effective measures to enable ALE providers and staff to manage the consequences of this unpredictable crisis. Europe needs a strong ALE sector to cope with the economic, social and environmental challenges of the next years, now more than ever!
(2) Integrations-, berufssprach- und arbeitsmarktbezogene Maßnahmen
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Honorarlehrkräfte geraten in existenzielle Not
Die Corona-Krise wird für die Lehrkräfte und Träger in der Weiterbildung zum Problem. Durch den Unterrichtsausfall ist ihre Finanzierung gefährdet, besonders dort, wo das geltende Recht ihnen das Risiko der höheren Gewalt zuschreibt.
Der Geschäftsführende Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat die Bundesregierung Anfang der Woche auf einen dringenden Handlungs- und Regelungsbedarf für Einrichtungen und Kurse der Integration und der Weiterbildung mit der Zuständigkeit des Bundes hingewiesen. Betroffen sind hier besonders Lehrkräfte und Träger auf den Gebieten der
- Integrationskurse,
- Berufssprachkurse,
- von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgeschriebenen Arbeitsmarktdienstleistungen (AMDL).
Hintergrund: Mit dem Trägerrundschreiben 05/2020 vom 14.03.2020 empfiehlt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, „Kurse für zunächst 14 Tage zu unterbrechen und den Beginn neuer Kurse für den gleichen Zeitraum zu verschieben“.
Die Bundesagentur hat die Träger der Kurse unter Punkt 3 mit folgender Aussage informiert: „Sollten Maßnahmeträger aufgrund einer Anordnung der Gesundheitsbehörde einen Maßnahmestandort schließen müssen, werden sie von der Verpflichtung zur Leistungserbringung frei. Es liegt ein Fall der höheren Gewalt vor. Im Gegenzug entfällt die Leistungspflicht der Bundesagentur für Arbeit, die Maßnahme für die Dauer der Schließung zu vergüten.“ Die BA verweist ferner auf mögliche Ausgleichsansprüche aus dem Infektionsschutzgesetz.
Die Träger der AMDL-Maßnahmen sehen sich durch die Auslegung der geltenden Rechtslage durch die BA, sich einer Zahlungsverpflichtung im Falle einer vorübergehenden behördlichen Schließung aufgrund des Coronavirus zu entziehen, einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt.
Soloselbstständige geraten in Not
Die GEW verweist zudem darauf, dass die Lehrkräfte in den Integrations- und Berufssprachkursen zum allergrößten Teil sogenannte Soloselbstständige sind. Sie müssen ihren Lebensunterhalt überwiegend aus den Honoraren ihrer Lehrtätigkeit bestreiten. Wenn kein Ausgleich für ihren Honorarausfall geschaffen wird, geraten sie in eine Notlage.
Ihre Einkommen liegen ohnehin an der Armutsgrenze, da sie u. a. als Selbstständige ihre Sozialversicherungsbeiträge alleine schultern müssen. Eine mögliche Entschädigung nach dem Infektionsschutzrecht erhalten Selbstständige nur, sofern sie selbst erkrankt sind und folglich unter Quarantäne gestellt werden. Auch Kurzarbeitergeld, womit die Bundesregierung Einkommensausfall ausgleichen will, gibt es nur für versicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht für Selbstständige.
Schutzschild reicht nicht weit genug
Die GEW begrüßt, dass die Bundesministerien für Finanzen sowie für Wirtschaft und Energie am 13. März die Erklärung „Ein Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen“ herausgegeben haben. Wörtlich heißt es darin: „Die Bundesregierung tritt entschlossen und mit aller Kraft den wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus entgegen. Der Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz (SPD), und der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier (CDU), haben sich auf ein weitreichendes Maßnahmenbündel verständigt, das Arbeitsplätze schützen und Unternehmen unterstützen wird. Die Regierung errichtet einen Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen. … Die zentrale Botschaft der Bundesregierung: Es ist genug Geld vorhanden, um die Krise zu bekämpfen und wir werden diese Mittel jetzt einsetzen. Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Darauf kann sich jede und jeder verlassen.“
Die GEW gibt jedoch zu bedenken, dass die zuvor genannten freiberuflichen Lehrkräfte in diesem Plan nicht vorkommen.
Bund soll Risiko der höheren Gewalt übernehmen
Der Geschäftsführende Vorstand der GEW hat sich deshalb in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt. Er schlägt eine vorübergehende Regelung für den Fall des durch den Coronavirus bedingten Unterrichtsausfalls vor: Der Bund solle als öffentlicher Auftraggeber das Risiko der höheren Gewalt übernehmen. In die Durchführungsbestimmungen einer solchen Regelung sei die Sicherung der finanziellen Lage der Lehrkräfte explizit aufzunehmen, heißt es in dem Brief weiter.
Auch für die politischen Stellen der Kommunal- bzw. Landesverwaltung, die die Entscheidung über die Schließung des Unterrichts von Volkshochschulen und anderen Weiterbildungsstätten getroffen haben, gelten ähnliche politische Lösungsvorschläge, die die Untergliederungen und Landesverbände der GEW einbringen.
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
FAQ zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Integrations- und Berufssprachkurse
Diese FAQ werden regelmäßig aktualisiert, um Ihnen neue Informationen so schnell wie möglich zugänglich zu machen […] Wir weisen darauf hin, dass es sich bei den Ausführungen zu rechtlichen Sachverhalten um unverbindliche und allgemeine Einschätzungen handelt. Diese FAQ können eine persönliche Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.
Finden noch Integrations- und Berufssprachkurse statt?
Die Bundesregierung hat sich am 16.03. mit den Regierungschefs der Länder auf Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie geeinigt. Diese sehen u. a. vor, die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich zu verbieten.
Die Bundesländer haben dies mittlerweile umgesetzt. Gegenwärtig dürfen daher keine Integrations- oder Berufssprachkurse mehr stattfinden. Die Verbotsdauer ist teilweise je nach Bundesland unterschiedlich und kann den einzelnen Allgemeinverfügungen/Rechtsverordnungen der Bundesländer entnommen werden.
Die vom BAMF bereits am 14.03. an die Träger kommunizierte eindringliche Aufforderung zur sofortigen Unterbrechung der Kurse ist durch die schärferen Vorgaben der Bundesregierung/Länder ersetzt […]
Können die Kursträger während der Schließung auf Online-Unterricht umstellen?
Die Corona-bedingte Unterbrechung aller Integrations- und Berufssprachkurse stellt einen großen Einschnitt für die Lernprogression der Kursteilnehmenden dar. Um dennoch den Lernfortschritt zu erhalten bzw. zu festigen, fördert das Bundesamt den Einsatz von unterschiedlichen digitalen Lernangeboten. Auf die Trägerrundschreiben an die Träger der Integrationskurse (09/2020) und an die Träger der Berufssprachkurse (05/20) wird verwiesen. In Kürze werden an dieser Stelle weitere Informationen zur Verfügung gestellt […]
Haben Kursträger und Lehrkräfte Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz?
Die Rechtslage ist hier noch nicht eindeutig geklärt. Voraussetzung für solche Ansprüche ist nach aktueller Rechtslage in jedem Fall eine behördlich angeordnete Schließung der konkreten Sprachschule. Die Bundesregierung prüft derzeit weitere Möglichkeiten der Unterstützung von Betroffenen.
Wird es eine finanzielle Absicherung der Kursträger durch das BAMF geben, insbesondere, wenn Kurse länger als bis Ostern pausieren (müssen)?
Dieser Situation trägt das BAMF zunächst dadurch Rechnung, dass vorliegende Abrechnungen kurzfristig ausbezahlt werden. Bei den Integrationskursen können Sonderabschlagszahlungen für unterbrochene Kurse beantragt werden. Für gestartete Berufssprachkurse sollen die regulären Anträge auf Abschlagszahlungen eingereicht werden. Das weitere Vorgehen auch zu Finanzierungsfragen wird auf Bundesebene fortlaufend abgestimmt. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten werden derzeit geprüft. Nähere Informationen dazu werden mitgeteilt, sobald dies möglich ist.
Quelle: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Integration/Integrationskurse/faq-integrationskurse-corona.html?nn=282388 (Stand: 02.04.2020).
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK)
Schutzschirm für Weiterbildungsträger
Die Bestimmungen und Verordnungen des Bundes und der Bundesländer vom 16.03.2020 haben auch die Bildungsträger zu einem Stopp ihrer gewohnten Bildungsarbeit gezwungen. Denn analoge bzw. Veranstaltungen in Präsenz können so nicht mehr durchgeführt werden. Gerade die Träger, die im Bereich Erwerbslosen- und Beschäftigtenqualifizierung Agentur-finanzierte Maßnahmen durchführen, haben durch staatliches Handeln eine Perspektive erhalten. Zu den Maßnahmen:
1) Lockerung des Gebots der Neuzulassung/Zertifizierung von Einzelmaßnahmen
Das Regelwerk der Qualitätssicherung gibt vor, dass die Änderung von Maßnahmen (für die Erwerbslose und Beschäftigte nach SGB II und III gefördert werden können) eine erneute Zertifizierung vorsieht. Die müssen sich dann die Träger bei ihrer jeweiligen Fachkundigen Stelle holen.
Für die Krisen-bedingte Auszeit wird dies ausgesetzt. So sollen die Träger nun den Fachkundigen Stellen Vorab-Bescheinigungen geben, die zu einem späteren Zeitpunkt dann erst geprüft werden müssen. Damit können die Maßnahmen als „alternative Methoden“ weitergeführt werden.
Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) hat dazu einen verbindlichen Rundbrief an die Fachkundigen Stellen geschickt, die Handlungsanweisungen der DAkkS zum Umgang mit den Risiken der im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID-19 für die Tätigkeit von Fachkundigen Stellen (FKS) im Bereich AZAV vom 23.03.2020.
Die Regelung ermöglicht die Fortsetzung von Weiterbildung in einem – experimentellen – digitalen Format.
2) Rettungsschirm für Träger im Bereich der geförderten beruflichen Weiterbildung
Hierbei handelt es sich um die Aussetzung von Maßnahmen bei gleichzeitiger Stützung der Träger. Voraussetzung ist allerdings, dass die Träger nach dem 5. und 11. Sozialgesetzbuch Erbringer von sozialen Dienstleistungen und Maßnahmeträger sind.
Das Sozialschutz-Paket hat in Art. 10 einen Schutzschirm für Träger aufgespannt, damit sie nicht aufgrund des Entgehens von Einnahmen in ihrer Existenz bedroht werden. Die Träger können so Anträge auf Leistungen stellen, um das Wegbrechen des Geschäftes zu kompensieren. Es handelt sich dabei um einen sog. Sicherstellungsauftrag. Die Maßnahmen werden dann ausgesetzt, nicht alternativ durchgeführt.
Träger können auf Antrag nicht rückzahlbare Zuschüsse erhalten. Der Sicherstellungsauftrag soll durch monatliche Zuschüsse der Leistungsträger an die sozialen Einrichtungen und Dienste erfolgen. Dabei wird ein Betrag zugrunde gelegt, der grundsätzlich monatlich höchstens 75 Prozent des Durchschnittsbetrages der letzten zwölf Monate entspricht.
Das Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) ist am Montag, den 30.03.2020 in Kraft getreten.
(3) Einzelkommentierungen
Corona und die Weiterbildung – Krise oder Katalysator?
Die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 stellt die Gesellschaften der europäischen Nationen – ja, die Weltgemeinschaft – vor größte Herausforderungen. Schulen und Kitas werden geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt, Regionen wird Quarantäne verordnet. Firmen schicken ihre Mitarbeitenden ins Home Office; das öffentliche Leben kommt weitgehend zum Erliegen, jetzt, wo auch noch vor Cafébesuchen und Sozialkontakten gewarnt wird. Soziale Isolation als gesundheitsfördernde Zwangsmaßnahme – ist das auf Wochen hinaus das Ende der Erwachsenen- und Weiterbildung?
Das Ende der Erwachsenenbildung?
Auf den ersten Blick muss man dies bejahen: Während ich diese Zeilen schreibe, hat die Münchner Volkshochschule auf ihrer Webseite die Aussetzung aller Kurse bis 19. April angekündigt. Die Bonner VHS hält noch am Kursbetrieb fest, macht diese Praxis aber von den landesseitigen Entscheidungen zum Schulbetrieb abhängig. Zuvor hat die Landeszentrale für politische Bildung des Landes Baden-Württemberg alle Veranstaltungen bis zum 3. Mai abgesagt. Diese an den wenigen Beispielen illustrierte hochdynamische Entwicklung fordert allen Bildungseinrichtungen größte Flexibilität ab. Sie ist aber besonders für jene wirtschaftlich dramatisch, die in nennenswertem Umfang von Teilnehmergebühren abhängig sind. So forderte bereits vorgestern der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) die Bundesregierung auf, mit ihren Maßnahmepaketen zur Abmilderung der Folgen von SARS-CoV-2 insbesondere auch die zivilgesellschaftlichen Akteure der Jugend- und Bildungsarbeit zu unterstützen.
Aber natürlich hört mit dem Aussetzen von Veranstaltungen der organisierten Weiterbildung nicht die Bildung Erwachsener auf. Mir scheint das Gegenteil der Fall.
- Der Bedarf nach fundierter Information ist in der Bevölkerung größer als üblich. Massenmedien und Informationsanbieter im Netz reagieren mit kreativen Vermittlungsformen mathematisch-naturwissenschaftlichen Wissens. Erwachsene lernen anschaulich, warum Desinfektionsmittel nicht gegen Viren helfen und in welche Größenordnungen kleine Zahlen durch exponentielle Entwicklung katapultiert werden.
- Zudem zeigen sich Politik und Behörden in hohem Maße lernbereit und offen für die Beratung durch wissenschaftliche Experten. Mein Eindruck ist, dass dabei beide Seiten akzeptieren, dass sich Wissen ständig ändert. Das schafft zwar Unsicherheit in der Bevölkerung, zeugt aber von einer gewissen Reife im Umgang mit wissenschaftlichem Wissen.
- Schließlich ergeben sich enorme Veränderungen in Einstellungen und Verhaltensweisen. Die damit verbundenen Lern- und Selbstbildungsprozesse sind nicht zu unterschätzen. Der durch COVID-19 drohende massenhafte vorzeitige Tod von Teilen der Bevölkerung führt zu breit akzeptierten Vorsichtsmaßnahmen, generationsübergreifender Rücksichtnahme und lässt die Menschen sogar mehr oder weniger klaglos akzeptieren, dass ihnen Fußballspiele und Konzerte entzogen werden. Welches Konfliktpotenzial mit der dauerhaften Zumutung solcherlei Einschränkungen einhergeht, muss abgewartet werden.
- Noch nicht abzusehen, aber nicht minder wahrscheinlich sind Lernprozesse Erwachsener in Sachen Entschleunigung. Ist erstmal der Pendlerweg zur Arbeit aus dem Tagesablauf gestrichen und sind die Steuererklärung und die per Home Office möglichen Aufgaben bearbeitet, entsteht ein neues Freizeit-Vakuum. Damit umzugehen ist nach Jahren der Arbeitsverdichtung für viele eine mehr oder weniger gut zu bewältigende Lernaufgabe.
Chance für die digital unterstützte Bildung
Eine besondere Chance bietet das Coronavirus für die digital unterstützte Bildung, und damit komme ich auch wieder zurück zu den Bildungsanbietern. Haben sie sich in den letzten Jahren doch oft schwergetan mit der Digitalisierung des Lernens, so ist jetzt schnelles Handeln mit vorhandenen Lösungen gefragt. Schulen müssen innerhalb kürzester Zeit Wege finden, wie Lehrende mit Schülerinnen und Schülern Aufgaben bearbeiten können, ohne dabei im selben Gebäude zu sein. Und zwar meist ohne verfügbare Lernsoftware oder Lernmanagementsysteme geschweige denn Erfahrung im Umgang damit. Selbiges gilt für Weiterbildungsanbieter.
Genau deswegen herrscht jetzt Goldgräberstimmung in der E-Learning-Branche. Ich konnte in den letzten Tagen beobachten, wie sich unter dem freundlichen Vorwand des „Aushelfens in schwierigen Zeiten“ Anbieter von Lernmanagement-Systemen per Pressemailing in Erinnerung rufen. Mancher bietet kostenpflichtige Lösungen gleich zum Nulltarif an. Das kann Ausdruck gelebter Solidarität sein oder eben doch eine allzu durchsichtige Form der Kundengewinnung.
Wie man auch immer diese Randerscheinungen bewerten mag – entscheidend ist doch, dass sich in der Coronakrise eine alternativlose Pflicht zum Nutzen digitaler Tools für Bildungsprozesse abzeichnet, in der diese Instrumente nicht mehr in Konkurrenz zum Lernen in der Präsenzgruppe treten, sondern zur notwendigen Bedingung organisierten Lernens im Ausnahmezustand werden. Vielleicht wird man deshalb in einigen Jahren die Krise von 2020 als den zentralen Katalysator der Digitalisierung in der Bildung identifizieren.
Quelle: https://epale.ec.europa.eu/de/blog/corona-und-die-weiterbildung-krise-oder-katalysator
Bildung unter den Schutzschirm!
In der Corona-Krise drohen hunderttausenden Honorarkräften massive Einnahmeausfälle. Politik und Gesellschaft müssen sich jetzt fragen, was ihnen Bildung und Kultur wert sind. Ein Gastbeitrag von Bernd Käpplinger.
Wir erleben eine außergewöhnliche Situation. Das soziale Leben kommt zum Erliegen. Social Distancing ist das neudeutsche Gebot der Stunde. Dies betrifft auch den Bildungsbereich. Aktuell stehen die Schulschließungen im Mittelpunkt des Interesses. Die meisten Hochschulen haben durch die vorlesungsfreie Zeit noch relativ wenig akuten Handlungsbedarf, wenngleich Klausuren und mündliche Prüfungen teilweise verschoben worden sind. Was ist aber mit anderen Bildungsbereichen wie der Weiterbildung?
Laut der einschlägigen Studie „Personalmonitor“ handelt es sich bei rund 70 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in der Weiterbildung um selbstständige Arbeit in Form von Honorar- und Werkverträgen. Experten zählen 945.917 Verträge dieser Art, die sich jährlich auf die insgesamt rund 700.000 Beschäftigte in der Branche verteilen.
Auch an hunderten Volkshochschulen und Bildungsstätten wird die Bildungsarbeit ausgesetzt
An hunderten öffentlichen wie privaten Tagungshäusern, Bildungsstätten oder Volkshochschulen wird nun auch die Bildungsarbeit ausgesetzt. Einnahmen brechen massiv weg, doch die laufenden Kosten können oft nur begrenzt reduziert werden. Die Honorarausgaben werden so wie in jeder Krise zu einem der zentralen Streichposten. Freiberuflerinnen und Freiberufler haben die schwächste Position von allen Beschäftigten. Zwar sind ganz sicherlich nicht alle Freiberufler als prekär Beschäftigte einzustufen. Auch gehört es zur unternehmerischen – auch zur kleinunternehmerischen – Verantwortung, Rücklagen für Krisenzeiten zu bilden. Allerdings ist die Problemlage offensichtlich, wenn man zum Beispiel an eine alleinerziehende Dozentin denkt, die freiberuflich Lehrverträge auf Mindestlohnhöhe bekommt, sich privat kranken- und rentenversichern muss und der nun plötzlich die Aufträge wegbrechen. Ähnliches gilt für den gesamten Kulturbereich.
Die Politik verweist auf Kurzarbeitergeld als Maßnahme des Krisenmanagements, wo bereits Anpassungen vorgenommen wurden. Vielleicht gibt es ja schon noch weitergehende Pläne, aber bislang gilt dieser Anspruch nur für versicherungspflichtig Beschäftigte. Freiberufler bekommen kein Kurzarbeitergeld bzw. nur dann, wenn sie selbst erkrankt sind oder unter Quarantäne gestellt werden. Das sieht das Bundesgesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten vor. Die Höhe der Entschädigungssumme für die Zeit der Quarantäne bemisst sich an den letzten Jahreseinnahmen laut Steuerbescheid.
Es zeigt sich eine Förderlücke, bei der man sich fragen muss, was der Gesellschaft und Politik Bildung und Kultur sowie die dort Beschäftigten wert sind. Es ist zu hoffen, dass die Rechtslage der sich schnell verändernden Situation angepasst wird und keine Beschäftigten ohne Überbrückungshilfe bleiben.
Einige sehen in der weiteren Digitalisierung die Antwort auf die aus der Coronakrise resultierende Bildungskrise. Tatsächlich sollten nun alle digitalen Möglichkeiten genutzt werden, um Präsenztermine zu ersetzen. Gelingt das, könnte die aktuelle Ausnahmesituation ein Motor sein, um die Digitalisierung des ganzen Bildungssystems, einschließlich der Weiterbildung, weiter zu befördern.
In ländlichen Regionen ist der Ausgang des erzwungenen Digitalisierungsexperiments schon absehbar
Allerdings müssen dafür sowohl die technischen Voraussetzungen als auch die sozialen Rahmenbedingungen stimmen. Es wird ein spannendes Experiment mit offenem Ausgang werden, wenn jetzt von heute auf morgen jeglicher Unterricht von Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland in großen Teilen per Videos, Plattformen und Streaming erfolgen soll. Der Energieverbrauch dürfte enorm ansteigen und die Bedenken sind groß, ob das die IT-Netze wirklich stemmen können. In ländlichen Regionen mit den oft langsamen und schlecht ausgebauten Netzten ist der (negative) Ausgang des Experiments schon absehbar. Und einen Digital-Crash durch Virusangriffe ähnlich wie in Gießen seit Dezember 2019 dürfte es nicht geben, wobei in Bayern aktuell eine Schulplattform bereits gehackt wurde. Virale Gefahren gibt es real und virtuell.
Es gehört zu einem Tabu in der Digitalisierungsdebatte: Diskussionen über ihre ökologische wie ökonomische Nachhaltigkeit werden wenig geführt, doch den Ressourcenverbrauch bei Gedrucktem betonen Digitalisierungsfans gern. Vor Corona war der Energieverbrauch aller Server in Frankfurt am Main schon größer als der des dortigen internationalen Flughafens.
Zurück zu den prekär beschäftigten Dozenten in der Bildung. Es ist mehr als fraglich, ob diese nun mal schnell in die digitalisierte Lehre umsteigen können – und ob sie dafür ein Bezahlmodell etablieren können angesichts der vielen kostenfreien Digitalangebote. Crowdfunding oder Pay-per-View hat im Journalismus bislang ökonomisch nicht richtig in der Breite überzeugt. Warum sollte das in der Bildungsbranche besser gelingen?
Wie reagiert die Nationale Weiterbildungsstrategie agil auf die neue Situation?
So kann die Digitalisierung nur einen kleinen Teil zur Lösung beitragen. Viel wichtiger ist es, die aktuell besonders prekäre Situation von Freiberuflerinnen und Freiberuflern in Bildung und Kultur gleichermaßen wahrzunehmen und im Rahmen des Möglichen zu lindern. Dies kann private Hilfe meinen. Vielleicht könnten Spendenaktionen gestartet werden? Wäre es denkbar, dass es Solidarität zwischen den pädagogischen Berufsgruppen gibt? Könnten verbeamtete Lehrende in Schulen und Hochschulen mit krisenfestem Gehalt nicht in einen Fonds spenden?
Doch auch dann wird es ohne weitere staatliche Maßnahmen nicht gehen. Es ist überfällig, dass Freiberuflerinnen und Freiberufler besser sozial abgesichert werden. Temporär könnte die Bundesregierung eine große steuerliche Entlastung für freie Berufe mit geringen Einkommen beschließen. Wie reagiert die Nationale Weiterbildungsstrategie agil auf die neue Situation?
Krise bedeutet etymologisch nicht Niedergang, sondern Entscheidung. Wie entscheiden wir hier über die Zukunft unseres Bildungssystems?
Quelle: https://www.jmwiarda.de/2020/03/17/bildung-unter-den-schutzschirm/
(4) Erfahrungsverdichtungen
Bayerischer Volkshochschulverband (bvv)
Volkshochschule – jetzt erst recht!
Das Coronavirus erschüttert die Bildungslandschaft. Die nachvollziehbaren und dringend erforderlichen Ausgangsbeschränkungen führen dazu, dass sich rund zwei Millionen Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Volkshochschulen in Bayern nicht mehr auf gewohntem Wege weiterbilden können.
1. Erschütterungen und kreative Potenziale
Von heute auf morgen ist ihr zuverlässiges Bildungsangebot weggebrochen. Bildungsarbeit bedeutet aber mehr als Wissensvermittlung: Die physischen Bildungsorte sind Orte gelebter Demokratie und Integration! Durch die aktuelle Gesundheitskrise und die gebotene „soziale Distanzierung“ ist die Erwachsenenbildung in ihrem Innersten getroffen – und herausgefordert. In diesem Bewusstsein entsteht Neues. Volkshochschulen zeigen einmal mehr (wie schon 2015 während der Flüchtlingskrise), was in ihnen steckt. Gerade jetzt ist es existenziell für die Gesellschaft und jeden Einzelnen, der physischen Abschottung intellektuelle Offenheit, gelebte Freiheit und ein tolerantes Miteinander entgegenzusetzen. Die Volkshochschulen verwirklichen dies durch offene Lernformate und diskursive digitale Begegnungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Ein Baustein dafür ist unser bayernweites Programm „vhs.daheim“. Für alle kostenfrei, jederzeit abrufbar, aber auch live und interaktiv mittels Chats zu nutzen. Viele Volkshochschulen entwickeln darüber hinaus in atemberaubender Geschwindigkeit alternative Angebote zum Präsenzlernen. Volkshochschulen leisten auch jetzt ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und erfüllen ihren Weiterbildungsauftrag gerade in Krisenzeiten aus Überzeugung verantwortlich, kreativ und digital-gestützt mit Leben.
2. Gefahren und Sorgen
Menschen mit fehlender Digitalkompetenz, ohne Internetzugang und die entsprechenden Geräte können am digitalen Lernen nicht partizipieren. „Offen für alle“ – der Leitspruch der Volkshochschulen kann derzeit nicht umfassend erfüllt werden. Umso stärker werden Volkshochschulen in Zukunft Bürgerinnen und Bürger beim Erwerb digitaler Kompetenzen unterstützen, um soziale Spaltung zu verhindern. Sie müssen zu digitalen Informations- und Lernzentren vor Ort werden, ohne ihren Charakter als unverzichtbarer Begegnungsort für das demokratische Gemeinwesen zu verlieren. Es sind die Kommunen – ebenso wie der Freistaat –, die sich für die Volkshochschulen dabei noch stärker als bisher auch finanziell einsetzen müssen. Sie sind gefragt, wenn es darum geht das Fortbestehen und perspektivisch die (digitale) Entwicklung ihrer Volkshochschule als kommunaler Weiterbildungsträger abzusichern. Dies wird umso besser und nachhaltiger gelingen, je stärker eine Kommune ihre Volkshochschule als kommunalen Netzwerkpartner erkennt und in ihre Ziele einbindet. Auch unsere freiberuflichen Lehrkräfte, die „Gesichter“ unserer Volkshochschulen, müssen in Notprogrammen berücksichtigt werden. Der Ausfall aller Veranstaltungen derzeit bedeutet für viele Lehrkräfte eine Bedrohung ihrer Existenz. Die Nachwirkungen der Ausgangsbeschränkungen werden für die Volkshochschulen vermutlich über Jahre spürbar sein. Dies ist frühzeitig bei allen bildungspolitischen Entscheidungen auf allen politischen Ebenen mitzudenken. Die Volkshochschulen können gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Damit das geschieht, benötigen sie derzeit mehr denn je die Unterstützung von Politik und Gesellschaft.
Quelle:https://ttwportal.vhs-bayern.de/web/ttwbvv.nsf/id/vhs--jetzt-erst-recht-bvv_de?open&ccm=050002
Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung des Landes Niedersachsen (AEWB)
Ein Fallbeispiel aus Niedersachsen
Der nachfolgende Beitrag beschreibt den Beginn und den Ablauf der Corona-Krise aus Sicht der Geschäftsführung der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung des Landes Niedersachsen (AEWB) bis einschließlich Sonntag, 19.04.2020.
Träger der AEWB ist der Niedersächsische Bund für freie Erwachsenenbildung e.V (nbeb) als Fach- und Interessenverband auf Grundlage des Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetzes (NEBG). Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) ist die AEWB mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben beauftragt. Die AEWB steht damit unter der Fachaufsicht des MWK und der Dienstaufsicht des nbeb. Die Dienstleistungen der AEWB richten sich mit Schwerpunkt an die 87 anerkannten Einrichtungen der Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung (57 Volkshochschulen, 23 Heimvolkshochschulen und sieben Landeseinrichtungen). In der AEWB arbeiten derzeit rund 40 Beschäftigte in den Bereichen Prüfung und Anerkennung, Migration und Integration sowie Innovation, Beratung und Fortbildung.
Erstmals informierte die AEWB im Auftrag des MWK am Donnerstag, 05.03.2020, die Einrichtungen über Empfehlungen zum Umgang mit der sich durch das „Coronavirus“ SARS-CoV-2 ergebenden Situation. Im Mittelpunkt standen Hinweise zum Schutz der Beschäftigten und der Teilnehmenden der Einrichtungen sowie Ratschläge mit allgemeinen Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlungen zur Durchführung von Großveranstaltungen. In den folgenden Tagen kam es in der Öffentlichkeit immer mehr zur Absage von Großveranstaltungen; dies betraf zunächst Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmenden.
Am Mittwoch, 11.03.2020, fragte die AEWB auf Nachfrage des MWK bei den Einrichtungen an, ob bereits Veranstaltungen mit der Begründung „Corona“ abgesagt wurden und falls dies der Fall sein sollte, ob dies proaktiv durch die Einrichtung oder reaktiv aufgrund von Absagen der Teilnehmenden erfolgte. Darüber hinaus wurden Fragen zu Kulanzregelungen bezüglich der Stornogebühren sowie zum grundsätzlichen Umgang hinsichtlich der anstehenden Veranstaltungen gestellt. Zeitgleich wurde seitens des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen (MS) darauf hingewiesen, dass auch kleinere Veranstaltungen individuell zu überprüfen sind.
Vor diesem Hintergrund wurde am Donnerstagmorgen, 12.03.2020, in der AEWB nach Rücksprache mit dem nbeb die Entscheidung getroffen, die zentrale Festveranstaltung für das 50-jährige Jubiläum des NEBG am 17.04.2020 abzusagen. Der 12.03.2020 markiert für uns in der AEWB den eigentlichen Beginn der Corona-Krise für die Erwachsenenbildung in Niedersachsen. Bis dahin hatten wir uns kaum vorstellen können, welche Dynamik die Situation für unseren Bildungsbereich entwickeln könnte. Diese Vorstellungen wurden weniger durch die Absage des Jubiläumsfestaktes erschüttert als vielmehr aufgrund der Tatsache, dass an diesem Tage Informationen aus dem Krisenstab der Landesregierung in die Öffentlichkeit durchsickerten, dass für den folgenden Montag, 16.03.2020, die Schließung sämtlicher Schulen sowie Kindergärten und -tagesstätten durch die Landesregierung bis zum Ende der Osterferien am 15.04.2020 verfügt werden solle. Am frühen Abend teilte das federführende Ministerium mit, die Landesregierung werde erst am kommenden Tag, am Freitag, 13.03.2020, mitteilen, welches die nächsten Schritte in der Bekämpfung des Coronavirus sein werden. In der AEWB liefen die ersten Nachfragen aus den Einrichtungen auf, wie im Falle von Schulschließungen in den Einrichtungen agiert werden solle.
Am Freitagvormittag, 13.03.2020, verkündete die Landesregierung in der Landespressekonferenz die Schließung der Schulen, Kindergärten und -tagesstätten in Niedersachsen bis zum 18.04.2020. Für den Bereich der Universitäten wurde die Verschiebung des Semesterbeginns auf den 20.04.2020 empfohlen, die Hochschulen sollten ihre Präsenzveranstaltungen bis zu diesem Datum ausfallen lassen. Ebenso sollten alle staatlichen Theater, Museen und Bibliotheken bis Mitte April geschlossen bleiben. Für den Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung wurden keine Aussagen getroffen. Auf Nachfrage wurde seitens des MWK auf die Zuständigkeit der Träger der Einrichtungen bzw. die lokalen Gesundheitsbehörden als zuständige Ansprechpartner verwiesen; auch eine Empfehlung wurde nicht ausgesprochen. Seitens der AEWB wurden daraufhin die Präsenzveranstaltungen des eigenen Fortbildungsbereichs mit sofortiger Wirkung bis zum 19.04.2020 abgesagt. Auch die meisten Erwachsenenbildungseinrichtungen agierten in gleicher Weise. Am Abend des 13.03.2020 begannen jedoch bereits in Gesprächen mit dem MWK erste Überlegungen zur Bezifferung des finanziellen Ausfalls zur Anmeldung für den zu erstellenden Nachtragshaushalt des Landes. Hier zeigte sich erneut eine Fehlstelle der Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung in Niedersachsen, da dies eines der Bundesländer ist, welches über keine eigene Statistik mit Angaben zu Finanzdaten der Erwachsenenbildungseinrichtungen verfügt. Die erste Bezifferung der Ausfälle erfolgte daher anhand einer Hochrechnung aus den Daten der Volkshochschul-Statistik. Die Ausfälle der 87 anerkannten Einrichtungen der Erwachsenenbildung wurden in einer kurzen Hochrechnung auf landesweit rund 5 Mio. Euro pro Woche beziffert.
Am Sonntag, 15.03.2020, wandte sich der Vorsitzende des nbeb an den Wissenschaftsminister des Landes Niedersachsen und wies vor allem auf die finanzielle Situation sowohl der Einrichtungen als auch der per Werkvertrag beschäftigten Honorarkräfte hin. Angeregt wurde hierzu die Einrichtung eines solidarischen Notfonds.
Setzte sich am Montag, 16.03.2020, die Frage um die Absage – zumindest von abschlussbezogenen Teilen – des Angebots zunächst fort, erhielten die Erwachsenenbildungseinrichtungen im Laufe des Tages durch den Runderlass des Ministeriums zur „Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie (Handel, Freizeit, Kultur)“ Rechtssicherheit. Danach wurde die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen verboten. Seit Dienstag, 17.03.2020, ruht der Präsenzbetrieb in den anerkannten Einrichtungen nach dem NEBG vollständig.
Für die AEWB stellte sich zunächst die Herausforderung, den Betrieb unter den veränderten Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten. Zwar waren dem Betriebsrat schon im Herbst 2018 durch die Geschäftsführung Entwürfe einer „Rahmenbetriebsvereinbarung EDV“ mit einer Anlage „Mobiles Arbeiten“ vorgelegt worden, doch hatten Bedenken in den Bereichen der Mitbestimmung, des Datenschutzes sowie der IT-Sicherheit einem Abschluss bisher im Wege gestanden. Vereinbarungen zum Mobilen Arbeiten gab es daher nur vereinzelt als Einzelfallentscheidungen. Am 17.03.2020 traf sich eine Arbeitsrunde in der AEWB, um sich mit einem Notfallplan zur Sicherstellung der unabdingbaren Funktionen der AEWB auseinanderzusetzen. Darüber hinaus wurden mit Beteiligung des Betriebsrats betriebliche Regelungen für die Beschäftigten der AEWB erarbeitet. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass ein Teil der Mitarbeitenden durch die Kinderbetreuung zu Hause gebunden war. Außerdem betrafen die Ausführungen Dienstreisen und -gänge, Besprechungen sowie Bestimmungen für die Anwesenheit im Büro und im Mobilen Arbeiten. Innerhalb kürzester Zeit konnte so für 30 Beschäftigte die Möglichkeit des Mobilen Arbeitens eröffnet werden, teilweise allerdings nur unter freiwilliger Bereitstellung und Nutzung privater Endgeräte; die übrigen Beschäftigten machten von dieser Möglichkeit bisher keinen Gebrauch. Auf diese Weise gelang es aber, den Geschäftsbetrieb der AEWB vollständig aufrechtzuerhalten. Für die Nutzung der teilweise bereits vorhandenen digitalen Möglichkeiten wie Tools für Videokonferenzen oder ein Learning-Management-System mit virtuellem Klassenzimmer bedeutete dies einen enormen Sprung, der unter regulären Arbeitsbedingungen in dieser Umsetzungsschnelligkeit kaum denkbar gewesen wäre.
Überlegungen zur Kurzarbeit stellten sich in der AEWB nicht, da diese als weitgehend landesfinanzierte Einrichtung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gebunden ist, der die Möglichkeit der Kurzarbeit ausschließt. Darüber hinaus war der Arbeitsalltag im bisherigen Verlauf der Corona-Krise auf den meisten Arbeitsplätzen in der AEWB in der Tendenz eher von Mehrarbeit gekennzeichnet.
Am Dienstag, 17.03.2020, informierte die AEWB die Einrichtungen über die Aussetzung bzw. Pausierung der Angebote im landesgeförderten Projektbereich. Das Land hielt hier zunächst sowohl an den Durchführungs- wie an den Vorlage- und Berichtsfristen fest. Bei kurzfristig endenden Projekten wurde im späteren Verlauf der Krise die Laufzeit ebenso verlängert wie bei den Vorlage- und Berichtsfristen.
Im Fortgang der Woche rückten dann immer mehr die finanziellen Auswirkungen der Krise für die Einrichtungen in den Mittelpunkt. Hierzu wurden erneut in der AEWB entsprechende Hochrechnungen erstellt. Am Freitag 20.03.2020 wandte sich der nbeb an die erwachsenenbildungspolitischen Sprecher im Landtag sowie an das MWK und stellte noch einmal ausführlich die zu erwartenden finanziellen Risiken der Erwachsenenbildung im Hinblick auf den zu beschließenden Nachtragshaushalt dar. Erneut wurde bei vorsichtiger Kalkulation das Ausfallrisiko pro Woche auf bis zu 5 Millionen Euro beziffert. Darüber hinaus wurde auf die besonders stark betroffene Gruppe der Honorarkräfte in der Erwachsenbildung verwiesen.
Ab Dienstag, 24.03.2020, versandte die AEWB die erste Ausgabe der „COVID-19-Pandemie-Rundmail“ mit aktuellen Mitteilungen an die Leitungen der 87 Erwachsenenbildungseinrichtungen in Niedersachsen. Im Mittelpunkt standen dabei zunächst Hinweise zur Sicherung der Liquidität der Einrichtungen, wie bspw. Informationen zum Kurzarbeitergeld, zu Förderprogrammen der NBank (der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen mit Sitz in Hannover), zu Unterstützungsmaßnahmen des Bundes, zu Abschlagszahlungen für die landesgeförderten Projekte, zum einzurichtenden Sonderfonds Nothilfe Erwachsenenbildung, zu Terminen in landesgeförderten Projekten sowie zur Bewertung des Leistungsumfangs der Einrichtungen nach dem NEBG. Hier ist in Gesprächen mit dem MWK vorgesehen, die Bewertung des Leistungsumfangs für die Einrichtungen in 2020 auszusetzen und stattdessen auf Vorjahreszeiträume zurückzugreifen. Von diesen Rundmails wurden mit Stand 19.04.2020 bisher sieben Ausgaben versandt.
Darüber hinaus richtete die AEWB auf ihrer Homepage einen Sonderbereich ein, auf welchem die Einrichtungen relevante Mitteilungen und Dokumente – zumeist per Link – finden können.
Am Freitag, 27.03.2020, informierte die AEWB die Einrichtungen über den Stand der Gespräche mit dem MWK zum Nachtragshaushalt des Landes und der Einrichtung und Ausgestaltung eines „Sonderfonds Nothilfe Erwachsenenbildung“, der mögliche Restrisiken für die Einrichtungen der Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung auffangen soll. Vorrangig ist davon auszugehen, dass zunächst alle zugänglichen Möglichkeiten auf Bundes- und Landesförderung auszuschöpfen sind. Die mögliche Höhe und die Ausgestaltung eines Sonderfonds für die Erwachsenenbildung sind mit Stand 19.04.2020 noch offen. Um aber für die weiteren Gespräche und Überlegungen einen aktuellen Überblick über die finanzielle Lage der Einrichtungen zu bekommen, bat die AEWB um Rückantwort, falls die Liquidität der Einrichtungen in der Weise kurzfristig gefährdet ist, dass sich diese Lage existenzbedrohend auswirkt. Darüber hinaus wurde um Mitteilung zur Kurzarbeit gebeten. Von den 87 Einrichtungen gingen folgende Rückmeldungen ein: Liquiditätsprobleme meldeten 20 von 23 Heimvolkshochschulen, 3 von 5 Landeseinrichtungen und 7 von 27 Volkshochschulen. In Kurzarbeit befanden sich 20 von 23 Heimvolkshochschulen, 4 von 5 Landeseinrichtungen und 12 von 27 Volkshochschulen. Vom Rest der Einrichtungen gingen keine Rückmeldungen ein.
Ab Samstag, 28.03.2020, erweiterte die AEWB ihr Beratungsangebot für die Einrichtungen. Es wurden ein zentrales Beratungstelefon sowie eine zentrale E-Mail eingerichtet. Darüber hinaus können sich die Einrichtungen wie gewohnt auch an alle Mitarbeitenden in ihren originären Zuständigkeiten unter ihren dienstlichen Telefonnummern und E-Mail-Accounts wenden.
Am Donnerstag, 02.04.2020, eröffnete das MWK auf Vorschlag der AEWB vom 20.03.2020 den Einrichtungen die Möglichkeit zur Sicherung der Liquidität, die monatlichen Auszahlungen der Landeszuschüsse auf formlosen Antrag für die Monate Mai bis September (5 Monate) vorab zum Maitermin abzurufen. Mit Stand 19.04.2020 beabsichtigen von dieser Möglichkeit 16 Heimvolkshochschulen, 5 Landeseinrichtungen und 10 Volkshochschulen Gebrauch zu machen.
Ebenso erteilte das MWK bis 30.06.2020 dem Antrag der AEWB die Zustimmung, Bildungsurlaubsangebote als Online-Kurse durchzuführen. Neben den für die Anerkennung nötigen Kriterien sind dabei auch die Kriterien der Online-Kurse zu erfüllen. Darüber hinaus hat die AEWB dem MWK Vorschläge vorgelegt, um die Anforderungen an die erforderliche Nachweisführung der Einrichtungen bei Online-Kursen für das NEBG der aktuellen Lage zügig anzupassen. Mit Stand vom 19.04.2020 läuft die Abstimmung in diesem Bereich allerdings noch.
Am Montag, 06.04.2020, legte die AEWB dem MWK umfassende ergänzende Angaben zur Anmeldung für den Sonderfonds Nothilfe Erwachsenenbildung vor. Dieser Sonderfonds wird vor allem benötigt um möglicherweise entstehende Insolvenzrisiken in der Erwachsenenbildung abzudecken und die plurale, gemeinnützige Trägerlandschaft der Erwachsenenbildung in Niedersachsen mit dem Auftrag der Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung zu sichern. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass die Finanzhilfeberechtigung nach § 3 NEBG die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit voraussetzt. Aufgrund des Gebots der zwecknahen Mittelverwendung verfügen die Einrichtungen daher über keine Liquiditätsreserven. Die Berechnungen bezogen die Schließung des Präsenzbetriebs als auch in Teilen die Wiederaufnahme mit einer hälftigen Auslastung ein.
Von den 57 Volkshochschulen befinden sich 32 in kommunaler Trägerschaft (Gemeinde, Kreis, Zweckverband). Die übrigen 25 sind privatrechtlich als eingetragene Vereine oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung organisiert. Aufgrund der engen Bindungen der VHS an die Gebietskörperschaften ist hier mit existenzbedrohenden Krisen vor allem im Bereich der privatrechtlich organisierten Volkshochschulen zu rechnen. Inwieweit Gebietskörperschaften letztlich bereit wären, die Volkshochschulen als kommunale Weiterbildungszentren aufzugeben bzw. nicht mehr zu fördern, ist sehr schwer einzuschätzen. Dies hängt vor allem von der zeitlichen Dauer und Intensität des weiteren Verlaufs der Krise ab. Der wöchentliche Verlust für die 57 VHS wurde bei vollständiger Schließung mit insgesamt 2,334 Mio. Euro und bei hälftigem Betrieb mit insgesamt 1,236 Mio. Euro pro Arbeitswoche beziffert.
Die sieben Landeseinrichtungen agieren als privatrechtlich eingetragene Vereine in einem unterschiedlichen Trägerumfeld gesellschaftlicher Interessengruppen. So bewegen sich die konfessionellen Landeseinrichtungen im Umfeld der evangelischen und katholischen Kirche, die gewerkschaftlichen Bildungswerke im Umfeld des DGB und der Gewerkschaft ver.di, das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft im Umfeld der Unternehmerverbände, die Ländliche Erwachsenenbildung im Umfeld ländlicher Interessengruppen. Allein der Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen (VNB) verfügt über kein entsprechendes Trägerumfeld. Für die sieben Landeseinrichtungen wurde der wöchentliche Verlust bei vollständiger Schließung mit insgesamt 882.000 Euro pro Arbeitswoche beziffert.
Die 23 Heimvolkshochschulen sind überwiegend als privatrechtlich eingetragene Vereine organisiert. Hinter den meisten Häusern stehen keine unmittelbar verantwortlichen Finanzierungsgeber. Hier wiegen vor allem die hohen Fix- und Bereitstellungskosten für die rund 120 Gebäude und die rund 800 festangestellten Mitarbeitenden schwer beim Komplettausfall von Einnahmen. Für die 23 HVHS wurde der wöchentliche Verlust bei vollständiger Schließung mit insgesamt 244.000 Euro pro Arbeitswoche beziffert.
Als Verlust sind dabei die Risiken ausgewiesen, die entstehen, wenn nach Einkalkulierung aller zu berücksichtigenden Einsparmöglichkeiten der Betrieb aufrechterhalten bzw. mit geringerer Auslastung weitergeführt wird.
Für Mittwoch, 08.04.2020, lud die AEWB die Leitungsebene der Einrichtungen erstmals zu einem Digitalen Runden Tisch: „Leitung in der Corona-Krise“ ein. Die Zusammenschaltung der 16 Leitungen erfolgte in einer Videokonferenz. Im Mittelpunkt standen der Informationsaustausch und die kollegiale Beratung in der aktuellen Situation. Es wurde abhängig von der Lageentwicklung vereinbart, wieder digital zusammenzukommen.
Am Nachmittag des Tages erörterte der Minister für Wissenschaft und Kultur mit dem Vorstand des nbeb die Lage der Erwachsenenbildung in Niedersachsen und stellte die Bemühungen des Landes zur Hilfe und Förderung dieses gesellschaftlich wichtigen Bildungsbereichs dar. Der Minister berichtete von den Gesprächen mit dem Ministerium für Finanzen (MF) und äußerte sich zuversichtlich zur Einrichtung eines Sonderfonds Nothilfe Erwachsenenbildung, der die existenziellen Risiken zur Sicherung der pluralen Trägerlandschaft der Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung abfangen soll. Die mögliche Höhe sowie die Ausgestaltung sind mit Stand 19.04.2020 allerdings noch offen. Darüber hinaus stellte der Minister in Aussicht, die Festsetzung des Arbeitsumfangs nach dem NEBG für 2020 auszusetzen und in diesem Sonderfall auf das Vorjahr oder durchschnittliche Vorjahreszeiträume zurückzugreifen.
Am Donnerstag, 09.04.2020 startete die AEWB für Teilnehmende aus den niedersächsischen Einrichtungen eine kostenlose Webinar Reihe „Webinare gestalten und einsetzen“. Für das Angebot bildete sich schnell eine Warteliste mit über 100 Interessierten. Anschlusstermine dazu sollen zügig angeboten werden.
Am Freitag, 17.04.2020, konnte die AEWB die Einrichtungen über die weitere Schließung des Präsenzbetriebs bis einschließlich 06.05.2020 informieren. Am 15.04.2020 hatte die Bundesebene Beschlussempfehlungen zur Vorbereitung der Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens in Deutschland gefasst. Dabei wurde empfohlen, die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich weiterhin zu verbieten.
Mit dem schrittweisen Start des Schulbetriebs ab 27.04.2020 stellten sich aber mit Nachdruck auch die Nachfragen zur Wiederaufnahme des Präsenzbetriebs in den Erwachsenenbildungseinrichtungen. Fragen zur Wiederaufnahme des Präsenzbetriebs, der abschlussbezogenen Angebote (bspw. des Zweiten Bildungswegs), der landesgeförderten Projekte sowie zu Hygienemaßnahmen in den Einrichtungen wurden seitens der AEWB dem MWK im Nachgang zu den Empfehlungen der Bundesebene am 16.04.2020 vorgelegt. Das MWK bat dazu am 17.04.2020 die AEWB/den nbeb um entsprechende Vorschläge und Vorlage eines Konzepts. Dieses wird derzeit erarbeitet und soll am kommenden Montag, 20.04.2020 beschlossen und vorgelegt werden.
So ist derzeit noch nicht absehbar, wann und in welcher Form der Präsenzbetrieb in der Erwachsenenbildung wiederaufgenommen werden kann. Sicher ist, dass auch dies zunächst schrittweise erfolgen wird und die Zeit bis zu einem „Normalbetrieb“ wie vor der Corona-Krise noch in weiter Ferne liegt.
Als Zwischenfazit lassen sich jedoch schon zum jetzigen Zeitpunkt einige Punkte festhalten:
- Auch und gerade zu Beginn der Krise stand die Weiterbildung in öffentlicher Verantwortung als Bildungsbereich erneut hinter der Elementarstufe, der Schule sowie den Universitäten und Hochschulen zurück. Regelungen für diesen Bereich wurden erst nachlaufend entwickelt.
- Die weitgehend privatrechtliche, gemeinnützige Struktur der Weiterbildungseinrichtungen macht diese für Krisen dieser Art höchst anfällig; die Grenzen der Liquidität sind schnell erreicht. Mit der vorzeitigen Auszahlung von Landeszuschüssen wurde schnell auf diese Lage reagiert, ob es darüber hinaus zu einem Sonderfonds Nothilfe Erwachsenenbildung kommt, ist derzeit noch völlig offen.
- Die unterschiedliche Träger- sowie komplexe Finanzierungsstruktur machen es den Einrichtungen nicht leicht an den allgemeinen Hilfsprogrammen, die zumeist für den wirtschaftlich-gewerblichen Bereich aufgesetzt wurden, zu partizipieren.
- Für die große Gruppe der per Werkvertrag in der Weiterbildung beschäftigten Honorarkräfte konnte bisher noch keine zufriedenstellende Lösung auf Landesebene erreicht werden.
- Eine Reihe von landesrechtlichen Gesetzen, Vorschriften und Bestimmungen (bspw. zur Festsetzung des Leistungsumfangs der Einrichtungen, zu den Mindestteilnehmerzahlen, etc.) müssen der aktuellen Lage noch angepasst werden. In Gesprächen wurde der politische Wille in Aussicht gestellt, die Umsetzung konnte in der Kürze der Zeit allerdings noch nicht erfolgen und steht daher noch aus.
- Innerhalb der Einrichtungen und für das Angebot der Weiterbildung ist mit einem deutlichen Digitalisierungsschub zu rechnen. Eine Umsteuerung zu digitalen Formaten verursacht jedoch zunächst enorme Kosten; dies vor allem in der Entwicklung der Angebote, aber auch in der Betreuung der Teilnehmenden. Die wenigsten dieser Formate können in der aktuellen Situation mit Teilnahmeentgelten belegt werden; damit können diese derzeit keine Einnahmeausfälle kompensieren.